Dirty campaining und „alternative Fakten“ im Kultuswahljahr

Dirty campaining und „alternative Fakten“ im Kultuswahljahr

von Ernst Meir Stern

Vier Jahre lang dümpelte der “Dampfer“ namens „der Kultusvorstand“ in relativ ruhigen Gewässern und hielt Kurs. Doch kaum geriet das Ufer „Neuwahl“ in Sichtweite, verfiel die Crew in Unruhe, begann zu streiten und letztendlich verweigerten Teile selbiger sogar die Gefolgschaft, da sie selbst ihre Chance gekommen sahen, das Ruder zu übernehmen. Seither bewegt sich das Ganze mit „Maschinenschaden“ auf Schlingerkurs und niemand kann voraussagen, ob und wann das Werkel kentert oder wieder flottgemacht werden kann. Oder wer über Bord geht.

Die „Meuterei“ begann schon im Dezember des Vorjahres, als über das Budget sowie die mit viel Aufwand neu gebastelte Statutenreform abgestimmt werden sollte. Doch die ob ihrer bisherigen politischen Einflusslosigkeit frustrierte CHAJ -Fraktion rebellierte, blieb der Sitzung fern und es gelang ihr, die bisher brav mit der allzu selbstherrlich agierenden Fraktion ATID zusammenarbeitenden Vertreter der bucharischen Gemeindemitglieder auf ihre Seite zu ziehen. Loyalität war für den Koalitionspartner von ATID, wiewohl jahrelang gehätschelt, offensichtlich keine politische Kategorie. Da kein Zweidrittel -Quorum zustande kam, wurde die Abstimmung auf Anfang Jänner vertagt.

In der Zwischenzeit erschien das – CHAJ nahe stehende - Magazin NU mit einem von Halbwahrheiten, „alternativen Fakten“, Verdrehungen und Gehässigkeiten strotzenden Artikel eines CHAJ - Mandatars. Vordergründiges und unschuldiges Angriffsziel war Landesrabbiner Hofmeister und dessen Bestellung durch die IKG. Getreu dem Motto „man schlägt den Sack und meint den Esel“. Jetzt droht den Verantwortlichen ein Rabbinatsgericht und auch der Presserat wurde verständigt.

Bei der Sitzung des Kultusvorstandes Anfang Jänner waren die Damen und Herren zwar wieder anwesend – doch waren es diesmal sämtliche Mandatare der Mehrheitsfraktion sowie der religiösen Gruppen, die durch Abwesenheit glänzten. Abstimmung unmöglich. Dieses Fernbleiben war ebenfalls wohl kalkuliert, sieht das Statut doch vor, dass „in dritter Lesung“ eine einfache Mehrheit für einen Beschluss reicht.

Natürlich geht es allen nur vordergründig um das Budget und den strittigen Punkt im neuen Statut „aktives Wahlrecht ab 16“. Tatsächlich wittert der VBJ (Sephardische Juden) Morgenluft und hofft auf einen, gar nicht so unrealistischen, Wahlsieg im November. Und natürlich versucht die Mehrheitsfraktion, einen solchen mit allen demokratischen – und manchmal auch demokratiepolitisch grenzwertigen Mitteln zu verhindern. Die politischen Kontrahenten sind eifrig bemüht, bei anderen Gruppierungen Vasallen zu rekrutieren.

Es kam also zu einer dritten Sitzung, in welcher sämtliche Mandatare, bemerkenswerter Weise mit Ausnahme des Verfassers des NU - Artikels, präsent waren. Wieder wurde leidenschaftlich debattiert, fundierte und sachliche Beiträge wurden von dummen Wortmeldungen konterkariert.  Schließlich einigte man sich auf „Schluss der Debatte“. Doch noch ehe man zur Abstimmung schreiten konnte, legte KV Engelberg dem Gremium ein dickes Ei, indem er protokollieren ließ, eine Abstimmung mit einfacher Mehrheit wäre statutenwidrig, da § 16/6 vorsieht, dass die Tagesordnung der Sitzung haarscharf dieselbe zu sein hat wie jene der Ersten! Und diese Tagesordnung war nun, wie auch schon bei Sitzung Nr.2, geändert worden. Also zog man sich zur Beratung zurück, kehrte nach einer Dreiviertelstunde zurück und Präsident Deutsch verkündete eine neuerliche Vertagung auf Anfang Februar um des „Schalom Bajt'“ Willen und „um nochmals in Ruhe mit allen Fraktionen verhandeln“ zu können...

„Unwürdiger Zirkus“ urteilte ein Mann aus dem Publikum.

Der Bund Sozialdemokratischer Juden-Avoda bezieht zu diesen Vorgängen klare Position: Man kann für oder gegen die Senkung des Wahlalters argumentieren., Es ist legitim, mit allen demokratischen Mitteln zu agieren. Auch der Bruch eines paktierten Koalitionsabkommens, taktische Finten sowie „Zuckerln“ für zu leistende Vasallendienste gehen gerade noch durch und gehören irgendwie noch zum Inventar der politischen Spielwiese.

Doch wenn Sitzungen blockiert werden, Gehässigkeiten, Untergriffe und persönliche Beleidigungen im Plenum sowie in Medien ins Spiel kommen, hört sich für uns jeglicher Spaß auf! Wir rufen daher alle Fraktionen, auch im Wahlkampf, zur Mäßigung auf, demokratische Spielregeln einzuhalten und zu einer sachlichen Diskussionskultur zurückzukehren. Geschieht das nicht, erleidet unsere Gemeinde Schaden, dessen Ausmaß nicht abgesehen werden kann.