Quo vadis, MACCABI?

Quo vadis, MACCABI? Der jüdische Fußballklub erfindet sich neu

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Gefährlicher Spagat zwischen Identität und sportlichem Ehrgeiz

von Ernst Meir Stern

 

Nach einjährigem Intermezzo in der untersten Spielklasse, gelang der Kampfmannschaft des S.C. MACCABI der Wiederaufstieg. Ausschlaggebend waren eine signifikante Leistungssteigerung im Frühjahrsdurchgang, sowie Auflösungen und Fusionierungen anderer Klubs.

Zum sportlichen Aspekt ist zu sagen, dass sich die zum Teil aus dem Nachwuchs übernommenen neuen Spieler bestens integrierten und  erstaunlich rasch  zu Leistungsträgern entwickelten. Im Herbstdurchgang hatten sie als Talente noch Schwierigkeiten mit der körperbetonten Gangart der Gegner gehabt und waren auch individuellen Leistungsschwankungen unterworfen. In Punkto Spielkultur und taktischer Disziplin der gesamten Mannschaft war eine deutliche Steigerung festzustellen, unzweifelhaft das Verdienst des beliebten Trainers Attila Sekerlioglu. Ausgeprägt wie schon seit Jahren nicht der Torhunger, als dessen Resultat Konkurrenten, im Herbst noch vor MACCABI platziert, spielerisch und resultatmäßig geradezu hinweggefegt wurden.

Auch in der Funktionärsriege kam es zu mehreren Veränderungen, wie immer bei diesem patriarchalisch geführten Verein eher heimlich, still und leise. Seit langem pfiffen es die Spatzen von den Dächern, dass Präsident Deutsch aufgrund  seiner politischen Funktion in der IKG das Fußball - Tagesgeschäft anderen überlassen will. So wurde jüngst der bisherige Jugendleiter Michael Margules als Generalsekretär installiert. Trainer Sekerlioglu sollte zunächst  zum „Coach“ befördert werden, wurde dann aber sang und klanglos ausgebootet. Wie sich der Rückzug von Oskar Deutsch in finanzieller Hinsicht auswirkt, muss die Zukunft zeigen, ebenso, ob bzw. wie weit er tatsächlich gewillt ist, die Zügel aus der Hand zu geben. Immerhin gilt es, ein nicht unbeträchtliches  Jahresbudget und damit den Spielbetrieb aller Mannschaften zu sichern.

Der S.C. MACCABI Wien ist also dabei, sich neu zu erfinden. Der FavAC Platz ist Geschichte. Das Training findet, ebenso wie die künftigen Heimspiele, auf der Anlage des Landstraßer AC in der Baumgasse statt, die außer einem gepflegten Rasenplatz einen großen Kunstrasenplatz mit Flutlicht und Zuschauertribüne besitzt. Trainiert wird ab sofort 3mal wöchentlich.

Nicht unumstritten in Mannschaftskreisen sowie im näheren Umfeld des Vereins ist die Restrukturierung des Kaders. Bereits in der abgelaufenen Saison verstärkten einige nicht jüdische Spieler, übrigens allesamt  nette Burschen, die Mannschaft, und auch für die kommende Saison wurden nicht jüdische Spieler engagiert, die das sportliche Niveau weiter heben sollen.

Statutenmäßig ist die aktuelle Entwicklung eines „gemischten“ Kaders natürlich gedeckt. Dennoch bedeutet dies eine radikale Abkehr von der jahrelang beschworenen Doktrin, dass, um den jüdischen Charakter des Vereines zu sichern, in der Kampfmannschaft von MACCABI ausschließlich Gemeindemitglieder oder jüdische „Ausländer“ eingesetzt werden dürfen. In der Praxis werden sich wieder einige jüdische Fußballer eine neue Freizeitbeschäftigung oder Verein suchen dürfen, wenn bessere Konkurrenten an ihrer statt zum Zug kommen. Bereits im Vorfeld der für MACCABI sportlich und mannschaftsklimamäßig desaströs verlaufenen europäischen MACCABI – Spiele waren – der bund berichtete - einige Kicker ausgemustert worden. Für sie existierte nach gleichzeitiger, nach wie vor unverständlicher Auflösung der Reservemannschaft, keine Möglichkeit mehr, ihren Sport in einem jüdischen Verein auszuüben.

Angesichts der ehrgeizigen Pläne und daraus resultierender Sportpolitik der Vereinsverantwortlichen wird es spannend, in welche Richtung sich Österreichs jüdischer Fußballklub entwickelt. Der bund bleibt jedenfalls eng am Ball…                                                                                       

Als Spieler und Öffentlichkeitsarbeiter der „Alten MACCABI“ vor nunmehr dreißig Jahren,  musste ich ohnmächtig miterleben, wie der Ehrgeiz von Funktionären, auf der sportlichen Skala nach oben zu klettern, geradezu schicksalshaft den Zerfall des jüdischen Fußballklubs besiegelte. Es begann mit einem nichtjüdischen Stürmer, und es endete mit einem einzigen noch verbliebenen jüdischen Kicker…